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DER USICHTBARE BLICK - Nacktheit und gedämpfter Voyeurismuis
Betrachtet man die üppige Malerei von Harald Plattner, so fühlt man sich in die 80er-Jahre zurückkatapultiert, als mit den trans-avangardistischen Strömungen eine sprühende Sinnlichkeit in die Kunst zurückgekehrt ist, eine Lust der Künstler auf das Malen, eine regelrechte neoexpressionistische Malwut. Nach der bewusst hervorgekehrten Anonymität der Minimal- und Concept-Art war die Freude am Umgang mit der Farbe wieder zu erkennen, an der Formgestaltung, auch ein Gespür für die dekorative Wirkung. Eine Sorglosigkeit gegenüber den eingefahrenen Regeln der Kunst, eine Unbekümmertheit bei der Behandlung stilistischer Mittel.
Der junge Bozner Harald Plattner (1974 geboren, Akademie der Bildenden Kunst Florenz), der von der Ausbildung her von der Bildhauerei kommt, entzieht sich dem gängigen Modetrend, der nur mehr Installationen und Videos zulässt, und bedient sich des antiksten Ausdrucksmittels der Kunst, der Malerei. In dieser Einzelausstellung vermittelt er Einblicke in das Innenleben einer Generation,
seiner Generation, und leuchtet eine distanzierte Intimität aus. Die Modelle wirken alle zufällig in ihrer Nacktheit ertappt und aus der Vogelperspektive beobachte. Es sind Vertreter jener Big-Brother-Generation, mit einem Hang zum Exhibitionismus, die sich teilnahms- und problemlos entblößt, weil Nacktheit in Big-Brother-Zeiten kein Tabu darstellt.
Auf den ersten Blick ist Harald Plattner ein realistischer Maler, allerdings nicht im einfachen Sinn des Wortes. Seine Bilder sind durchtränkt von einer starken erotischen, wenn nicht sexuellen Obsession, und dieser entspricht auch die Direktheit seiner Bilder. Seine Malerei ist ein Instrument für sein ungestümes Kunstwollen. Er schafft es, malend, eine Verbindung zwischen seinem Ich als Künstler mit seinen Sehnsüchten, Wünschen, Phantasien, Träumen und seinen Objekten herzustellen. Das Licht, in das der Maler seine durchaus weiblichen Modelle eintaucht, lässt sie eine fremdartige Intensität ausstrahlen. Sie erwecken den Eindruck, als seine sie von einer Wirklichkeit in eine andere, von der
Alltagswelt in die Sphäre der künstlerischen Realität überführt worden. Sie wirken wie vom Künstler überrascht, verschreckt eher eingeschüchtert. Harald Plattner konstruiert seine Bilder nach Anregungen, die er aus eigenen Fotografien bezieht, die die Basis seiner Gemälde sind. Die Farben seiner Bilder sind durchaus kräftig, der Farbauftrag ist pastös, grob die Pinselführung. Es ist immer eine spezifische Verwendung des Lichts, durch die seine Bildserien ihre besondere Einprägsamkeit
erhalten. Harald Plattner seziert mit seiner Malerei Seelen und liefert Einblicke.
Arnold Tribus